Rudolf Maria Henke/Gerhard Winkler: Geschichte des Buchhandels in Linz. Linz: Archiv der Stadt Linz 2002. (= Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1999/2000)
Publikationen über den Buchhandel in einzelnen österreichischen Städten oder Bundesländern haben Seltenheitswert, und daher ist es nur zu begrüßen, dass eine Arbeit über die oberösterreichische Landeshauptstadt nach vielen Jahren erschienen ist. Dass das vorliegende Werk als „große Materialsammlung“ seinen Anfang nahm, ist der Arbeit noch nach der Überarbeitung, von der in der Vorbemerkung der Herausgeber die Rede ist, anzumerken. Die Stärke (und zugleich auch der Schwerpunkt) dieser „Geschichte des Buchhandels in Linz“ liegt in der genauen Dokumentation, in der Auswertung der verstreuten, hauptsächlich amtlichen Quellen.
Zumal die Herausgeber dem Benützer keine „Navigationshilfe“ am Anfang der Arbeit bieten und keine Auskunft über die Quellen(lage), über den Forschungsstand oder über den Aufbau ihrer Dokumentation geben, obliegt es dem Leser festzuhalten, wie die Verf. den disparaten Stoff in den Griff bekommen und behandeln möchten. Für den interessierten Leser, der sich erstmals mit der Linzer Buchhandelsgeschichte beschäftigt, ist das Inhaltsverzeichnis, das nach Namen/Firmen vorgeht, allerdings nicht sehr hilfreich. Nützlich wären Hinweise auf Epochen. Erst auf S. 91 – das Buch umfasst 319 Seiten – wird der Leser darüber aufgeklärt, wann eine Firma hier berücksichtigt wird: „Obwohl in der einschlägigen Literatur (Junker, Pfeffer u.a.) die Ansicht vertreten wurde, dass erst dann von einem “Buchhändler” gesprochen werden kann, wenn seine Existenz aktenmäßig dokumentiert ist, sollte der Begriff weiter gefasst werden. Als Buchhändler ist einzustufen, wer durch seine nachweisbare Tätigkeit sich als solcher beweist, mag die juristische Sanktion auch später, im Einzelfall vielleicht auch gar nicht erfolgen. Dieser etwas pragmatischere Standpunkt ermöglicht einen weiteren Blickwinkel und ist daher wirklichkeitsnäher. Wie auch im ersten Teil wird auch hier der Begriff “Buchhandel” im weiteren Sinne verstanden, das heißt, er umfasst sowohl den Druck, den Verlag und den vertreibenden Buchhandel, wobei allerdings das Schwergewicht auf letzterem liegt.“ Das halte ich auch für sehr sinnvoll, nur: der Hinweis hätte früher erfolgen müssen.
Der Aufbau sieht wie folgt aus: die Arbeit beginnt mit einer „Einführung“, die die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Buchhandel in Österreich streift und nennt die verschiedenen “Tätigkeitsbereiche”, wie Antiquariats-, Kommissions-, Grosso-, Bahnhofsbuchhandel usw. usf. Der erste Abschnitt der Arbeit nennt sich „Die Buchführer und –händler auf den Linzer Märkten“ (26-90). Es werden hier einzelne Zeugnisse dieser Tätigkeit zitiert, und dann heißt es: „Nach den bisher mehrfach erfolgten Namensnennungen, deren Spuren weiter nicht verfolgt werden konnten, beginnt nun die Reihung von Buchführern, die aktenkundig belegt wurden, sei es auch nur einmal.“ (29) Es ist damit (endlich) das Prinzip angesprochen, nach dem die Verf. vorgehen: Namen/Firmen werden chronologisch behandelt und verzeichnet, wobei nur scheinbar von diesem Prinzip abgegangen wird, wenn Nachfolgerfirmen beschrieben werden. Am Schluss hat der Benützer eine numerische Reihenfolge (*1* ff.).
Der zweite Abschnitt ist mit „Die ortsansässigen Buchhändler“ betitelt (91ff.) und dient – zumindest der Kopfzeile zufolge – als „Oberbegriff“ für die restliche Arbeit. Zur Erläuterung schreiben die Herausgeber: „Mit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts ist die Zeit der “Buchführer”, der fahrenden Buchhändler, die nur zu Marktzeiten in Linz aufgetreten sind, zu Ende. Sie werden abgelöst durch ortsansässige Buchhändler, die in Linz einen festen, ständigen Wohnsitz haben und die ihr Gewerbe in einem “Gewölbe”, einem Ladengeschäft, ausüben.“ (91) Der Abschnitt wird aber genauer unterteilt, und zwar nach „Buchhändler-Dynastien“. Dazu zählen etwa „Elias Münzer und seine Nachfolger“ (91-135) u.a. Joseph Fink, Vincenz Fink, Franz Josef Steurer usw.), „Franz Anton Ilger und seine Nachfolger“ (136-174), darunter Maria Theresia Frener, Franz Anton Hoffmeister, Johann Georg Binz, Eurich usw., „Johann Thomas Trattner und seine Nachfolger“ (175-199), darunter Johann Christian Quandt, Theresia Quandt, Franz Ignaz Ebenhö(c)h, Karl Moritz Quirein, Heinrich Korb, sowie „Christian Friedrich Wappler und seine Nachfolger“ (200-221), darunter Joseph Rohrmoser, Joseph Bergmeister, Cajetan und Quirin Haslinger, Josef und Oskar Sachsperger.
Ein weiterer Unterabschnitt nennt sich „Vertreter anderer Gewerbe als Buchhändler im 18. Jahrhundert“ (222ff). Dazu die Herausgeber: „Als am Ende des 18. Jahrhunderts die fahrenden “Buchführer” abgekommen waren und sich der Buchhandel sehr rasch zu einem ansässigen Gewerbe in Geschäftslokalen gewandelt hatte, konnten dessen Vertreter bis in die unmittelbare Gegenwart verfolgt werden.“ (222) Hinter „Vertreter anderer Gewerbe“ verbergen sich in erster Linie Buchdrucker, angefangen mit Franz Zachäus Auinger im frühen 18. Jahrhundert. Es folgt dann ein Abschnitt über „Johann Baptist Huemer und seine Nachfolger“. Die Verf. führen eine weitere Kategorie ein, die sich „Weitere Buchhandlungen im 19. Jahrhundert und ihre Nachfolger“ nennt, und kommen damit in Teufelsküche. So beginnt etwa ein ganz kurzer Abriss des 1869 gegründeten Katholischen Pressvereins der Diözese Linz mit einem Standortwechsel Anfang des 20. Jahrhunderts. Man wird auf einen Artikel aus dem Jahr 1987 im Umfang von knapp 3 Seiten verwiesen und erfährt, dass die „überkommenen Daten zur Geschichte der Buchhandlung (…) überaus dürftig“ seien (271). Das ist im mehrfachen Sinn schade, denn man sollte dem Leser zumindest in dieser Publikation die Grunddaten vermitteln. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der katholischen Pressvereine in ganz Österreich als buch- und literaturvermittelnde Instanzen ist und bleibt ein großes Desiderat. Auch was den nachmaligen Oberösterreichischen Landesverlag betrifft, sind die Ergebnisse als dürftig zu bezeichnen. Hier wie im Fall des Pressvereins beschränkt sich das Erkenntnisinteresse auf die Nennung eines jeweiligen Buchhändlers. Eine Firmengeschichte dürfte auch hier ausstehen. Die Anführung schließlich von Amadeus und dessen Nachfolger Librodisk ist eher als beiläufig einzuschätzen.
Bei aller Anerkennung der dokumentarischen Leistung ist es irgendwie schade, dass die Verf. den Begriff „Buchhandel“ letztlich sehr eng aufgefasst haben. Eher Alibifunktion hat die Erwähnung des Rudolf Trauner Verlags (302) am Schluss der Arbeit, und zwar unter der Überschrift „Verlagsbuchhandlungen“. Es gäbe sicherlich eine Reihe von Verlagen, die im 20. Jahrhundert in Linz ansässig waren, darunter den Österreichischen Verlag für Belletristik und Wissenschaft (der u.a. Leo Perutz verlegte), den Pilgram Verlag und den Ibis-Verlag, auf deren Geschichte wir noch warten müssen.
Für den Benützer, der die Anordnung des gesamten Materials in diesem Band nicht so schnell durchschaut, sei gesagt, dass es ein Register gibt, das Orte, Standorte (Adressen), Firmennamen und Personennamen in einem aufnimmt. Doch wer sich punktuell informieren möchte – etwa über Märkte, Leihbibliotheken oder verschiedene andere Sachthemen – dem fehlt ein Sachregister. Wie bereits angedeutet, wird in dieser Darstellung der Geschichte des Buchhandels in Linz ungeheuer viel verstreutes Material herangezogen. Doch auch hier muß man die Tatsache bemängeln, dass es im Anhang keine Bibliographie gibt. Aber selbst ohne Literaturverzeichnis, erkennt man, dass manch einschlägiges Werk in der Darstellung nicht erwähnt wird (Lang, Weinmann, die Wiener Dissertation aus dem Jahr 1950 von Helmuth Huemer über Volksbuchliteratur usw.).
Rudolf M. Henke, der in jahrelanger Arbeit mit großer Akribie alles Erreichbare zusammengetragen und dokumentiert hat, hat die Veröffentlichung dieser Geschichte nicht mehr erlebt. Er starb 1998. Unterm Strich bleibt die Tatsache, dass wir durch seine Forschung für jede weitere Arbeit über den Buchhandel in Linz ein sicheres Fundament haben.