Rezension Sachlexika

Helmut Hiller/Stephan Füssel: Wörterbuch des Buches. 6., grundlegend überarbeitete Auflage 2002.  

Reclams Sachlexikon des Buches. Hrsg. von Ursula Rautenberg. Stuttgart: Reclam 2003. 

Auffallend gleichzeitig – im Herbst 2002 – wurden zwei handliche Nachschlagewerke angekündigt, die sowohl für angehende Buchforscher als auch für Praktiker und altgediente Bücherfreunde sehr nützlich sind. Ob diese Gleichzeitigkeit Zufall war oder nicht, braucht uns hier nicht weiter zu kümmern. In einem Fall handelt es sich um eine Novität – mit Impressum 2003 – , nämlich das von Ursula Rautenberg, Professorin für Buchwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg, herausgegebene Werk ”Reclams Sachlexikon des Buches”, in einem Umfang von knapp unter 600 Seiten. Beim zweiten tritt uns ein alter Bekannter in neuem Gewand entgegen: der ”Hiller”, der nach der Erstveröffentlichung im Jahre 1954 und der letzten Aktualisierung vor zwölf Jahren nun als ”Hiller/Füssel” zeitgleich mit dem Reclam-Werk auf den Markt gekommen ist. Der ”Hiller”, der in der Verlagswerbung als „jetzt ganz neu“ und „das bewährte Nachschlagewerk für Buch und Verlag, Papier und Druck, Einband und Restaurierung, Redaktionen und Bibliotheken, Internet und Medienkonzerne“ usw. angepriesen wird, ist ”grundlegend überarbeitet” worden, und zwar ”von den Spezialisten des Mainzer Institutes für Buchwissenschaft” unter der Federführung von Stephan Füssel.

Wodurch unterscheiden sich ”Sachlexikon” und ”Wörterbuch”? Und was sind ihre Gemeinsamkeiten? Zunächst einmal, was den Preis betrifft, ”Hiller/Füssel” verkauft sich im Pappband um € 29,80, während das Reclam-Werk € 19,90 kostet. Hiller/Füssel gehöre, was die Zielgruppe betrifft, in ”die Hand jedes Studierenden, Auszubildenden, Praktikers und Bücherfreundes”. Das Reclam-Buch gibt sich als ein ”mit Wissen randvolles Nachschlagewerk für Profis und Liebhaber”. Beide sind – wie könnte es anders sein – alphabetisch nach Begriff aufgebaut und betonen ihre besondere Aktualität. Bei Hiller werden ”nun auch die neuesten Entwicklungen und Tendenzen in Buchmarkt und Buchwissenschaft berücksichtigt und umfassend dargestellt”, während die Artikel im ”Sachlexikon” zwar ”weit in die Buchgeschichte zurück /greifen/ … aber ebenso den ganz modernen Entwicklungen der Drucktechnologie und der digitalen Textspeicherung, -aufbereitung und dem digitalen Vertrieb Rechnung” tragen. Das ist in beiden Fällen deshalb wichtig und notwendig, weil es ja auch bei den Fachtermini der Buchwissenschaft und nicht zuletzt durch die neuen Produktions- und Vertriebstechniken zu erheblichen Veränderungen gekommen ist, von rechtlichen Veränderungen (Ladenpreisregelung, U-Recht usw.) ganz zu schweigen. Dem Auskunftssuchenden ist mit älteren Nachschlagewerken nicht geholfen.

Fazit bisher: ein Informationsangebot für ein gleiches Zielpublikum. Das Vorwort zum Reclamschen Sachlexikon spricht von einer „thematischen Breite“ mit „überwiegend knappen Artikeln“ (6). Es sollen hievon an die 1600 sein, die im Umfang von einigen Zeilen bis zu zwei Spalten und mehr variieren. Die so genannten „zentralen Artikel“ werden durch die Aufhebung des sonstigen Zweispaltensatzes optisch/graphisch besonders hervorgehoben. Dazu zählen Artikel wie z.B. „Buchgeschichte“ (97-99), „Buchhandel“ (99-102) oder „Papier“ (388-390). Während (einige wenige) Literaturangaben den größeren und manchmal kleineren Artikeln beigegeben werden, geschieht dies durchaus im Sinne der Hrsg., die mit dem Sachlexikon den mehrbändigen Standardwerken und Speziallexika keine Konkurrenz darstellen will. Für ein Werk, das ein für das „längst nicht tote Medium des Buches interessiertes allgemeines Publikum“ im Auge hat, ist diese herausgeberische Entscheidung gewiss sinnvoll. Themenbezogene Illustrationen begleiten den Text. Besonders hübsch ist die Lithographie eines Bücherwurms aus dem 17. Jahrhundert, die am Beginn des Bandes steht.

Im Unterschied zum „Sachlexikon“ erfasst Hiller/Füssel wie in der Vergangenheit auch Personen, seien es Verleger, Buchhändler oder Graphiker, sowie Buchhandelsfirmen und Verlage. Welche Kriterien die Auswahl bestimmen, bleibt nach wie vor unklar, fest steht aber, dass die Anzahl der betreffenden Einträge stark erweitert wurde. Aufgenommen werden britische, amerikanische, französische und schweizerische usw. neben „deutschen“ Firmen. Österreich ist in dieser Hinsicht deutlich unterrepräsentiert. Als einziges Beispiel eines österreichischen Verlags hat sich die renommierte Firma ADEVA in Graz hinein verirrt. Als einziges Beispiel für eine österreichische Institution dient – wie in den letzten Auflagen – die Österreichische Nationalbibliothek. Und wer bestimmte österreichische Verlegerpersönlichkeiten der letzten Jahrhunderte sucht, muss – siehe oben – wieder allein mit Trattner vorlieb nehmen. Die Einträge beinhalten knappe Informationen über Gründungsjahr, Programmausrichtung etc. Auf Literaturangaben wird dem Zweck entsprechend so gut wie ausnahmslos verzichtet. Dass knappe Angaben zur Firmengeschichte irreführend sein können, zeigt der Eintrag zum Böhlau Verlag, dem eine Eigenständigkeit als österreichisches Unternehmen im Laufe der letzten fünfzig Jahre (Impressum: Graz–Wien–Köln z.B.) und mehr abgesprochen wird: „… ist 1853 in Weimar aus einer 1624 gegr. Druckerei hervorgegangen und hat jetzt seinen Sitz in Köln und Wien“ (55). Dass die beiden heutigen Standorte unterschiedliche Programme haben, geht nicht daraus hervor.

Manche Stichworte wird man natürlich in beiden Werken finden, beide erläutern fremdsprachliche Begriffe ohne sich zwangsläufig zu überschneiden. Um ein Beispiel willkürlich herauszugreifen: Hiller/Füssel erläutert z.B., was der englische Begriff „booklet“ bedeutet („Broschüre meist ohne eigenen Umschlag; zunehmend gebräuchlich für die Beihefte zu Audio-CDs (Musik)“. Das Sachlexikon ist etwas ausführlicher: „engl. Broschüre, Heftchen, kleinformatige Broschüre, die der Kassette einer Compact Disk zur Erläuterung des Inhalts beigegeben wird.“ Und so weiter. Hiller/Füssel deutet richtiger Weise an, dass das Wort vor dem CD-Zeitalter in der Branche gebräuchlich war. Im englischen heißt es so viel wie dünnes Buch oder „pamphlet“, nicht zu verwechseln mit dem deutschen Wort Pamphlet. Das Sachlexikon bietet beispielsweise eine ausführliche Erläuterung des Begriffs „Books on Demand“ (BOD). Dort wird man auch auf den Begriff „Printing on Demand“ (S. 410f.) verwiesen. Da es nun mehrere Begriffe gibt, die de facto synonym verwendet werden – so etwa „Print on Demand“ oder gar „Book in Time“ – wäre hier ein zusätzlicher Hinweis sehr nützlich. Eine Aufnahme (mittels Verweis) des häufiger gebrauchten Begriffs „Publishing on Demand“ wäre nicht weniger nützlich. Bei Hiller/Füssel mag es überraschen, dass man sich zwar auf die „stürmische Entwicklung“ in der Branche beruft und von mehrmaliger Aktualisierung während der Endredaktion spricht, den Terminus „Books on Demand“ aber nicht aufnimmt. Bei „Publishing-on-Demand“ (warum mit Bindestrich?) auf S. 254 wird man auf eine Erläuterung unter „POD“ verwiesen. Auch hier wäre eine Aufnahme der verschiedenen gebräuchlichen Begriffe hilfreich.

Wer schnell Grundinformationen zum Thema Buch und Buchhandel sucht, ist mit beiden Werken gut bedient, das heißt, es empfiehlt sich, sowohl das eine als auch das andere zu konsultieren. Beide tragen den turbulenten Entwicklungen der letzten Jahre, darunter der Aufnahme von Computerbegriffen aus dem Englischen, sehr gut Rechnung.